Geschichtliches zu Anrath

 

Das gibt es zu Anrath zu berichten. 

Der früheste Name für Anrath – „Anrode“, also „An der Rodung“ – weist darauf hin,
dass die Gründung der Siedlung auf neugerodetem Boden in unkultiviertem Gelände erfolgte.

Die älteste Kirche der neuen Siedlung wurde wahrscheinlich schon im 9.Jahrhundert errichtet.
1010, also vor tausend Jahren, wurde sie von der Kempener Mutterkirche getrennt und zur selbständigen Pfarrkirche erhoben.
Zum Pfarrpatron wählten die Anrather sinnigerweise den Heiligen Johannes den Täufer – den Heiligen der Einöde.
Das Patronat der Kirche kam durch eine Schenkung Kaiser Ottos III. an die Benediktinerabtei Deutz,
die dann auch in den folgenden Jahrhunderten zumeist den Pfarrer stellte.
Wie bedeutend diese Kirche war, lässt sich daran erkennen, dass der Pfarrsprengel bis nach Schiefbahn, Neersen und Kehn reichte.

Territorial gesehen war Anrath viele Jahrhunderte lang Hauptort der Herrlichkeit Neersen-Anrath,
die als kurkölnisches Lehen an adlige Familien vergeben wurde.
Dies waren zuerst die Herren von Neersen, seit 1500 dann die Herren, Freiherren und Grafen von Virmond.
Nach dem Tod des letzten Virmond im Jahre 1744 zog die kurkölnische Regierung die Herrschaft
als erledigtes Lehen ein und ließ es von einem Amtmann verwalten.

Ein weiterer Meilenstein der Anrather Geschichte war die Verleihung des Marktrechts durch Kaiser Sigismund im Jahre 1414.
Diese hatte eine weitgehende Umgestaltung des Ortsbildes zur Folge:
Anrath wurde mit Wall und Graben umgeben und die Einfallsstraßen durch Tore gesichert.
Aus dem Dorf Anrath war ein „Flecken“ geworden.

Schon in dieser Zeit wurde Anrath das „Dorf ohne Land“ genannt,
weil die enge Bebauung des Fleckens keinen Ackerbau zuließ und weite Teile des umliegenden Landes bereits zu Neersen oder Willich gehörten.
Im Gegensatz zu diesen Gemeinden war Anrath auch weitaus mehr vom Handwerk geprägt als von der Landwirtschaft.
Innerhalb der Handwerkerschaft ragte wiederum die Weberei heraus – Anrath war über Jahrhunderte hinweg ein Weberdorf.

Das 16. und 17.Jahrhundert brachten Anrath Tod und Verderben.
Sowohl im Truchsessischen als auch im Dreißigjährigen Krieg wurde der Ort mehrmals gebrandschatzt und geplündert,
sowohl von katholischen als auch von protestantischen Soldaten.
Ruhe kehrte erst wieder nach dem Westfälischen Frieden von 1648 ein.

Um 1660 besuchte der Rembrandt-Schüler Lambert Doomer den Geburtsort seines Vaters Harmen,
welcher 1613 Anrath verlassen und sein Glück in Amsterdam gefunden hatte.
Doomer fertigte fünf Zeichnungen an, bei denen es sich um die ältesten Darstellungen Anraths handelt.

Ein großer Wendepunkt war das Jahr 1794 – die Franzosen eroberten das Rheinland und beendeten damit die kurkölnische Herrschaft.
Anfangs stand die Bevölkerung den neuen Herren durchaus positiv gegenüber, vor allem aufgrund des modernen französischen Rechtssystems.
Erst als die finanziellen Belastungen immer höher und immer mehr junge Männer in die Armee eingezogen wurden,
schlug das Wohlwollen in Ablehnung um.
Im Rahmen einer großen Verwaltungsreform bildeten sie Im Jahre 1800 bildeten die Franzose im Rahmen einer großen,
landesweiten Verwaltungsreform eine Mairie Neersen, zu der neben Neersen, Kehn und Clörath auch das Dorf Anrath gehörte.
Das Anrath umgebende Land bildete nun eine eigenständige Mairie mit dem Namen Kleinkempen.

1814 eroberten russische und preußische Truppen das Rheinland und bereiteten damit der französischen Herrschaft ein Ende.
Auf dem Wiener Kongress wurde das Rheinland Preußen zugeschlagen
und die neuen Herren würfelten die Grenzen der einzelnen Gemeinden nochmals kräftig durcheinander.
So wurden das Dorf Anrath und sein Umland 1819 wieder vereinigt, wohlgemerkt unter dem Namen Kleinkempen.
Erst 1840 erhielt die Bürgermeisterei wieder den Namen Anrath.

Mitte des 19.Jahrhunderts erreichte die industrielle Revolution das Weber- und Bauerndorf Anrath.
Am 15.Oktober 1849 wurde die von der Bergisch-Märkischen Eisenbahngesellschaft
gebaute Bahnstrecke Krefeld – Anrath – Viersen – Mönchengladbach eröffnet.
Und 1873 stiftete der vermögende Bürger Lorenz schmitz in seinem ehemaligen Wohnhaus an der Viersener Straße ein Krankenhaus,
das von den Ordensschwestern der christlichen Liebe betreut wurde.

Die industrielle Revolution brachte den Anrathern jedoch auch großes Unglück – die Einführung
der mechanischen Webstühle brachte dem Ort die schwerste wirtschaftliche Krise seiner Geschichte.
Durch den daraus resultierenden Niedergang der traditionellen Hausweberei
wurden innerhalb weniger Jahre von 1.200 Anrather Hauswebern 700 arbeitslos.
Die Krise erreichte ihren Höhepunkt, als weite Teile Anraths am 1.7.1891 durch einen schweren Wirbelsturm zerstört wurden.
Dieser dauerte zwar nur knapp zwei Minuten, hinterließ aber Schäden in Höhe von rund 400.000 Reichsmark,
wodurch sich die prekäre finanzielle Sitauation der Gemeinde nochmals verschlechterte.

1894 wusste sich Bürgermeister Axler nicht anders zu helfen,
als bei der Regierung die Auflösung der Gemeinde und die Eingemeindung nach Krefeld zu beantragen.
Diesem Ansinnen kam die preußische Regierung jedoch nicht nach.
Als kuriosen Akt der Wirtschaftsförderung beschloss sie den Bau eines Gefängnisses, welches im Jahre 1905 vollendet wurde.
Doch auch die Anrather Gemeindeväter blieben nicht tatenlos.
Ihnen gelang es, zwei Großwebereien im Ort anzusiedeln, die Seidenweberei Carl Lange (1898) und die Tuchfabrik Jakob Krebs (1907).

Innerhalb kurzer Zeit erholte sich Anrath und es setzte eine Phase des Wohlstands ein.
Nun waren auch die finanziellen Mittel vorhanden, um sich neuen Zielen zu widmen.
So war die alte Pfarrkirche dem enormen Bevölkerungswachstum nicht mehr gewachsen.
Folglich wurde sie 1897 niedergelegt und durch eine dreischiffige Hallenkirche im neugotischen Stil ersetzt,
die am 30.Oktober 1898 geweiht wurde.
Da sich, auch bedingt durch den Bau des Königlichen Gefängnisses,
die Zahl der protestantischen Einwohner Anfang des 20.Jahrhunderts massiv erhöhte,
forcierte Gefängnispfarrer Karl Echternacht seit 1905 den Bau einer Evangelischen Kirche,
die 1910 fertiggestellt wurde – es war die erste evangelische Kirche im heutigen Stadtgebiet.
Außerdem wurde 1913 die neue Volksschule an der Allee eingeweiht und im Jahr darauf der Sportplatz in der Donk.

Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs beendete jäh diese kurze Epoche der Prosperität,
in den folgenden Jahren hatte Anrath wie alle anderen Orte auch unter der Knappheit an Lebensmittel und Brennstoffen zu leiden.
Nach Kriegsende wurde der Ort von belgischen Truppen besetzt.
In den Jahren der sogenannten Weimarer Republik stagnierte das Leben in Anrath.
Die einzig bedeutende Maßnahme war die Anlage des neuen Friedhofs an der Neersener Straße im Jahre 1925.
Der alte Gottesacker war zu klein geworden und wurde in den 1950er Jahren in eine Parkanlage umgewandelt,
den heutigen Theodor-Heuss-Park.

Mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler im Januar 1933 übernahmen auch in Anrath die Nationalsozialisten die Macht.
Nacheinander wurden Kommunisten, Sozialdemokraten und vor allem das zuvor dominierende Zentrum kaltgestellt –
das öffentliche Leben wurde nach und nach gleichgeschaltet.
Einzig die Katholische Kirche widersetzte sich so weit es ging den neuen Machthabern.
Die NS-Zeit führte auch zum Untergang der jüdischen Gemeinde.
Deren Bethaus an der Hindenburgstraße musste nach der Pogromnacht von 1938 aufgegeben werden.
1941 und 1942 wurden 15 Anrather Juden nach Riga und Theresienstadt deportiert – von ihnen überlebte keiner den Holocaust.
Der Zweite Weltkrieg erreichte Anrath 1942, in diesem Jahr fielen erstmals Bomben auf den Ort.
Der schwerste Angriff am 8.April 1943 brachte nicht nur enorme Sachschäden, sondern auch Todesopfer.
Für die Gemeinde endete der Zweite Weltkrieg am 1.März 1945 mit der Besetzung durch amerikanische Truppen.

Die Zeit vom Kriegsende bis zur Kommunalen Neugliederung war in Anrath mit einem Namen verbunden: Willi Krebs.
Er wurde 1946 Bürgermeister und blieb es bis zu seinem Tod 1969.
Die größte Aufgabe der Nachkriegszeit stellte die Versorgung und Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen dar:
Bis 1954 kamen rund 1.200 nach Anrath, sie stellten damit knapp 18% der gesamten Bevölkerung.
In diesen Jahren entstanden nicht nur neue Wohnbereiche, auch die Infrastruktur wurde entscheidend ausgebaut.
Genannt seien hier nur der Bau von Johannesschule (1952) und Albert-Schweitzer-Schule (1959).

Am 1.1.1970 ging die Gemeinde Anrath in der neugebildeten Stadt Willich auf.
Weite Teile der Bevölkerung standen einer Vereinigung mit Schiefbahn und Willich kritisch gegenüber –
sie hätten lieber einen Zusammenschluss mit Neersen gesehen, der jedoch vom Land nicht genehmigt wurde.
Inzwischen ist Anrath längst in der Stadt Willich angekommen.
Das Dorf „an der Rodung“ ist ein selbstbewusster, charmanter Stadtteil,
der durch den fortwährenden Ausbau der Infrastruktur auch für viele Menschen aus den umliegenden Großstädten attraktiv wurde,
genannt seien hier nur die 1992 errichtete Leineweberhalle und vor allem das 2000 eingeweihte Lise-Meitner-Gymnasium.

Mit freundlicher Unterstützung vom Willicher Stadtarchivar Udo Holzenthal.